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Zusammenfassung:
ISSN 2701-9012 ZMFP, Vol.3 (2022) Zeitschrift für Mathematikdidaktik in Forschung und Praxis Johann Sjuts Metakognition innerhalb von Aufgaben und Aufgabenbearbeitungen in Mathematik Zusammenfassung Metakognition ist sowohl in der Praxis als auch in der Forschung des Lehrens und Lernens von Mathematik ein Thema mit mittlerweile gestiegenem Stellenwert. Metakognition erhöht die Effektivität von Denken und Lernen, aber das Wirksamwerden von Metakognition ist an Bedingungen gebunden. Es gibt weder eine inhaltsfreie noch eine unverbindliche Entwicklung von Metakognition. Damit eine möglichst ausgeprägte Wirksamkeit entsteht, sind ein gezieltes Bewusstmachen und ein strukturiertes Organisieren des eigenen Denkens sowie ein Analysieren des eigenen Verstehens nötig. Eine Möglichkeit besteht darin, dies über eine passende Art und Gestaltung von Aufgaben zu erreichen. Der vorliegende Beitrag soll zum einen die Befunde aus der Forschung und zum anderen die Bedeutung von Metakognition im Vollzug aufzeigen. Er gibt zunächst einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte von Metakognition im Wissenschaftsgefüge, in die aus der Forschung gewonnen Erkenntnisse über Metakognition und in die Zusammensetzung des Konzepts Metakognition aus mehreren Komponenten. Es folgt die Darlegung eines Instrumentariums, das Aufgaben und Aufgabenbearbeitungen für Erhebungen und Analysen nutzt. Zur Sprache kommen dabei Möglichkeiten von Aufgabengestaltung und -umgestaltung zur Anregung von Metakognition, kognitive Verzerrungen, denen es metakognitiv entgegenzuwirken gilt, schwierigkeitsgenerierende Merkmale von Aufgaben, ein Ansatz zur Rekonstruktion metakognitiver Prozesse in Aufgabenbearbeitungen anhand eines entsprechenden Kategoriensystems sowie ein Einstufungssystem zur Intensität metakognitiver Aktivitäten. Danach wird ein Vorgehen bei zwei im Rahmen von berufsfeldbezogener forschungsorientierter Professionalisierung durchgeführten qualitativ-empirischen Apl. Prof. Dr. Johann Sjuts, Universität Osnabrück, Institut für Mathematik, Albrechtstraße 28a, 49076 Osnabrück, Deutschland. e-mail: sjuts-leer@t-online.de Sjuts ZMFP, Vol.3 (2022) Studien dargestellt und durch beispielhafte Analysen verdeutlicht. Die in dem Zusammenhang entwickelten und erprobten Einordnungssysteme eignen sich, metakognitive Aktivitäten in Aufgabenbearbeitungen ausfindig zu machen und dahingehend zu beurteilen, wie sie sich auf die Lösung von Aufgaben auswirken. Ein Novum besteht darin, metakognitive Aktivitäten auszuweisen, die der Prävention von Unzulänglichkeiten und Verzerrungen in der Aufgabenbearbeitung dienen können. Es ergeben sich einerseits auf der Hand liegende Untersuchungsvorhaben für die mathematikdidaktische Forschung und andererseits aus den positiven Effekten von Metakognition ableitbare Empfehlungen für ein evidenzbasiertes berufliches Handeln. Überdies lässt sich zum Ausdruck bringen, wie berufliche Fähigkeiten, Aufgaben in Mathematik zu gestalten und Aufgabenbearbeitungen auszuwerten, durch ein forschendes Lernen im Studium bzw. im Vorbereitungsdienst erwachsen können. Schlagworte Metakognition; Aufgabengestaltung; Verschriftlichung des Denkens; kognitive Verzerrungen; Kategoriensystem metakognitiver Aktivitäten; forschendes Lernen 2 Sjuts ZMFP, Vol.3 (2022) 1. Einführung Menschen sind zur Selbstreflexion ihres Denkens und Handelns in der Lage. Sie sind fähig, sich selbst zum Gegenstand ihres Denkens und Nachdenkens zu machen. Insbesondere lässt sich die eigene Kognition, das mit einer Sache beschäftigte Denken, ins Bewusstsein rücken und damit regulieren und kontrollieren. Dafür steht der Ausdruck Metakognition, das Denken über das eigene Denken. Zu diesem Denken höherer Ordnung gehört auch die aktive Steuerung der mit jedwedem Lernen verbundenen kognitiven Prozesse. Im Hinblick auf die Wirksamkeit von Schule und Unterricht hat Metakognition daher schon seit längerer Zeit Beachtung gefunden. Als Einflussfaktor für erfolgreiches Lernen kommt Metakognition eine der höchsten Effektstärken zu (Wang et al., 1993; Hattie, 2008). Interventionsstudien haben gezeigt, dass Lernende – sogar mit unterschiedlichen Voraussetzungen – erheblich von Metakognition profitieren. Dies gilt auch und insbesondere für den Unterricht in Mathematik (Schneider & Artelt, 2010; Lingel, Neuenhaus, Artelt, und Schneider, 2014 für eine Übersicht). Metakognition ist sowohl in der Praxis als auch in der Forschung des Lehrens und Lernens von Mathematik mittlerweile ein Thema mit gestiegenem Stellenwert. Die Mathematikdidaktik befasst sich hinsichtlich Metakognition mit folgenden Fragen: ▪ Wie lässt sich der Mathematikunterricht, wie lassen sich Mathematikaufgaben gestalten, um metakognitive Aktivitäten der Lernenden zu stimulieren? ▪ Inwieweit lassen sich metakognitive Prozesse in Unterrichtsgesprächen und in Aufgabenbearbeitungen identifizieren? ▪ Welchen lernförderlichen Einfluss haben bestimmte metakognitive Aktivitäten? Bei der Anregung und ebenso der Erforschung von Metakognition ist die wissenspsychologische Beziehung von internen Repräsentationen (Vorstellungen) und externen Repräsentationen (Darstellungen) von wesentlicher Bedeutung (Fischer, 2007; Sjuts, 2016). Denken, Lernen und Verstehen geschehen in einer Wechselwirkung, die sich so beschreiben lässt: Das, was man sich im Kopf zurechtlegt, findet einen Niederschlag in dem, 3 Sjuts ZMFP, Vol.3 (2022) was man sagt oder zu Papier bringt. Aber es gibt auch einen umgekehrten Zusammenhang. Denn man registriert und mustert zugleich auch das, was man notiert und skizziert hat. Und diese Betrachtung kann einen modifizierenden, reorganisierenden Einfluss auf das Denken haben. So entsteht nicht nur aus der internen eine externe Repräsentation, sondern diese wirkt auch auf jene zurück. Damit erhalten die beim Denken, Lernen und Verstehen auftretenden Irrtümer und Fehler einen lernförderlichen Wert. Denn sie führen zu Veränderungen und Berichtigungen. Alles in allem ermöglicht diese Wechselwirkung, dass Lernende Fehlerhaftes und Falsches erfassen und beheben, dass sie Flüchtigkeiten und Verzerrungen vorhersehen und vermeiden, dass sie also reaktiv und proaktiv mit Unzulänglichkeiten und Unkorrektheiten umgehen und dass sie am Ende das Richtige wissen und entsprechend zu handeln verstehen. Für das Tätigkeitsfeld Schule und Unterricht lassen sich daraus einige Schlussfolgerungen ziehen. Diskursivität in Unterrichtsgesprächen: Metakognition einzelner Schülerinnen und Schüler im Unterricht ist nicht per se lernwirksam. Es kommt darauf an, sie im diskursiven Austausch mit anderen in Unterrichtsgesprächen zu praktizieren. Diese sind so zu arrangieren und zu moderieren, dass metakognitive und diskursive Aktivitäten ihr förderliches Potenzial entfalten (Cohors-Fresenborg, 2012). Bei der Diskursivität geht es um die Einhaltung von Gesprächsregeln und die Nachvollziehbarkeit von Erläuterungen und Begründungen (Kaune und CohorsFresenborg, 2010; Nowińska, 2016). Im Unterricht zeigt sich Diskursivität darin, dass die am Gespräch Beteiligten ihre Aussagen und Argumente präzise formulieren und ihre Beiträge durch Bezugspunkte und personen verankern, dass sie vorhergehende Äußerungen verorten, um Einsicht zu erzeugen, und nachfolgende erwirken, um Verstehen zu sichern. Ziel ist es, durch Bezugnahme und Vergewisserung schließlich für klares und gründliches Erfassen von Sinn und Bedeutung zu sorgen. Art und Gestaltung von Aufgaben: Übliche Mathematikaufgaben lösen metakognitive Aktivitäten nicht von selbst aus. Damit jedoch eine möglichst ausgeprägte Wirksamkeit entsteht, sind ein gezieltes Bewusstmachen und ein strukturiertes Organisieren des eigenen Denkens sowie ein 4 Sjuts ZMFP, Vol.3 (2022) Analysieren des eigenen Verstehens nötig. Dies gilt es, über eine passende Art und Gestaltung von Aufgaben (Sjuts, 2021) sicherzustellen. Dreierlei ist getrennt oder kombiniert möglich: ▪ Die Anforderung, bei der Aufgabenbearbeitung stets und systematisch Metakognition einzubeziehen, kann durch einen didaktisch-sozialen Vertrag (Sjuts, 2003) etabliert werden. ▪ Nützlich sind bestimmte Aufgaben, denen ein Anstoß zur Metakognition auf besondere Weise innewohnt. ▪ Überdies lassen sich Aufgabenstellungen um spezifische Aufforderungen zur Metakognition erweitern. Verschriftlichung von Gedankengängen: Für das schulische Lernen gilt die Verschriftlichung des eigenen Denkens als grundlegende Maßnahme zur Steigerung von Lernwirksamkeit (Sjuts, 2016; 2018). Sie deckt das eigene Denken auf, macht das eigene Denken und Verstehen bewusst und damit regulier- und kontrollierbar. Diese Feststellung untermauert das Gebot, Metakognition überhaupt und vermehrt zu praktizieren. In Curricula und Schulbüchern findet der Begriff Metakognition Erwähnung, ohne jedoch genau expliziert, spezifiziert oder operationalisiert zu werden. Zu beobachten ist zudem, dass Aufgabenstellungen mit expliziten Aufforderungen zur Metakognition nicht allgemein üblich sind. Eine entsprechende Gestaltung von Aufgaben oder Teilaufgaben ist in Schulbüchern zur Mathematik nur sehr selten anzutreffen. Auch in Schulleistungsstudien, bei Vergleichsarbeiten oder Zentralarbeiten ist keine nennenswerte Berücksichtigung festzustellen. Trotz gestiegener Aufmerksamkeit für Metakognition ist zu konstatieren: Forschung über Metakognition und Ausübung von Metakognition sind hierzulande nicht stark verbreitet. Damit mangelt es an vertieften Erkenntnissen über erprobte Maßnahmen zur Förderung von Metakognition im regulären Unterricht. Und damit bleiben Möglichkeiten, den Erfolg von Lehren und Lernen zu steigern, ungenutzt. 2. Metakognition in systematischer Einordnung Metakognition findet sich in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen. Gegenstand der Forschung ist Metakognition seit etwa einem halben Jahrhundert. Dabei ist ein in der Breite geteiltes Verständnis des aus 5 Sjuts ZMFP, Vol.3 (2022) mehreren Komponenten bestehenden Konzepts Metakognition entstanden. Mit Metakognition und der…
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Zusammenfassung:
Der Einstieg in das Thema funktionale Zusammenhänge ist von hoher Bedeutung für ein erfolgreiches Arbeiten mit Funktionen, die Schülerinnen und Schüler ihre ganze Schullaufbahn über begleiten. Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, ob Lernumgebungen unter Verwendung von Simulationen oder gegenständlichen Materialien geeignet sind, diesen Einstieg ausgerichtet auf die Förderung des funktionalen Denkens unter Berücksichtigung der Aspekte Zuordnung, Änderungsverhalten und Objekt zu gestalten. Nach einem theoretischen Überblick über funktionales Denken, Experimente mit gegenständlichen Materialien bzw. Simulationen sowie Aufgaben wird die Gestaltung der entwickelten Lernumgebungen detailliert beschrieben, wobei der Schwerpunkt auf der Aufgabengestaltung liegt. Im Anschluss daran wird die zur Beantwortung der Forschungsfrage durchgeführte Studie vorgestellt. Es folgt die Darstellung der Auswertungsmethoden, die sowohl quantitativer (Rasch-Modell) als auch qualitativer Art (qualitative Inhaltsanalyse) sind. Abschließend werden die Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass Simulationen einen größeren Einfluss auf das Verständnis des Änderungsverhaltens, gegenständliche Materialien hingegen auf das Verständnis der Zuordnung haben, präsentiert und interpretiert sowie kritisch hinterfragt. Die Ergebnisse werden für den Einsatz im Unterricht aufgearbeitet.